H&M will Arbeitnehmer loswerden

H&M drängt derzeit Schwerbehinderte, Arbeitnehmerinnen in Elternzeit und Pflegezeit sowie Mütter mit Kleinkindern zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags.

Gerade im Lockdown, von dem auch großflächig das Personal der Modeläden betroffen ist, kann dieses Angebot stark verunsichern und seine Wirkung ausbreiten, da zu Corona-Zeiten die interne Kommunikation gestört ist. Zuhause sitzen folglich die Betroffenen und grübeln, ob dieses Angebot interessant für sie ist. Oder, wenn sie es noch nicht bekommen haben, wieso nicht? Und so geraten viele Menschen ins Nachdenken und in eine Entscheidungsnot. Dabei sind die Tücken eines Aufhebungsvertrages abzuwägen.


Sozialrechtliche und steuerrechtliche Folgen einer Aufhebungsvereinbarung

I. Dem Druck nachgeben?

Wie der Spiegel und andere Medien aktuell berichten, drängt das Textilunternehmen H&M insbesondere Schwerbehinderte, Mitarbeiterinnen in Elternzeit/Pflegezeit sowie Mütter mit Kleinkindern, welche auf einen Einsatz in der Frühschicht angewiesen sind, zum Abschluss von Aufhebungsvereinbarungen.
Diese sind zwar mit einer Dotierung von einem Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr gut ausgestattet, dennoch stellt sich für die Betroffenen die Frage, ob sie dem Druck des Arbeitgebers – und es wird erheblicher Druck aufgebaut – nachgeben sollen und einer Beendigungsvereinbarung zustimmen sollen.
Schwerbehinderte sind gemäß § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX nur mit Zustimmung des Integrationsamts kündbar. Gleiches gilt für durch die Agentur für Arbeit Gleichgestellte. Mütter in Elternzeit sind nur mit Zustimmung der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Arbeitsbehörde kündbar (§ 18 Abs. 1 BEEG). Mitarbeiter in Pflegezeit können bis zur Beendigung der Pflegezeit nicht gekündigt werden (§ 5PflegeZG). Tariflich unkündbare Arbeitnehmer – es handelt sich in der Regel um ältere Arbeitnehmer – sind gemäß Tarifvertrag unkündbar. Mütter mit minderjährigen Kindern sind in besonderer Weise auf die Frühschicht angewiesen, ein Einsatz in Spätschicht/Wechselschicht ist wegen der Betreuung der Kinder in der Regel nicht möglich. Sie sind für den Arbeitgeber weniger flexibel einsetzbar mit der Folge, dass H&M auch auf diese Mitarbeiter einwirkt, einer Beendigungsvereinbarung zuzustimmen.

Modeshops sind momentan im Lockdown. Die Mitarbeiter machen sich existentielle Sorgen, wie es weitergeht.

Wer ist H&M?

H&M (Kurzform für Hennes & Mauritz) ist ein schwedisches Textilhandels­unternehmen aus Stockholm. Über Ladengeschäfte und den Onlineshop bietet H&M weltweit Kleidung, Accessoires und Schuhe für Damen, Herren und Kinder sowie Wohnaccessoires an. Der Hauptvertriebsweg ist der über gemietete Läden in der Innenstadt. H&M ist ein Globalplayer, seine Geschäfte macht er in 60 Ländern weltweit.

II. Sperrzeit

In all diesen Fällen droht die Sanktion einer Sperrzeit mit einer Dauer von 12 Wochen durch die Agentur für Arbeit. Die Sperrzeit wird für die Dauer von 12 Wochen angeordnet. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Während des ersten Monats der Sperrzeit besteht nachwirkender Versicherungsschutz durch die Krankenversicherung, ausgenommen den Anspruch auf Krankengeld.
Ab dem zweiten Monat ist der Arbeitnehmer nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V über die Bundesagentur für Arbeit versichert. Darüber hinaus wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld im Falle der üblichen Sperrzeit von 12 Wochen um ein Viertel der gesamten Anspruchsdauer vermindert.

Ausnahme

Der Arbeitnehmer meldet sich erst nach Ablauf eines Jahres seit der Auflösungsvereinbarung arbeitssuchend.

III. Ruhenszeitraum

Der Anspruch auf ALG ruht im Falle einer Abfindung, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsfrist beendet wurde, und zwar für die Zeit bis zur ordentlichen Beendigung. (§ 158 SGB III)

Tariflicher Ausschluss einer ordentlichen Kündigung/Ausschluss einer ordentlichen Kündigung gemäß Betriebsvereinbarung

Es gilt zu prüfen, ob bei H&M ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung für langbeschäftigte Mitarbeiter besteht.
Entsprechendes könnte auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein.
In diesem Fall gilt eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten, gerechnet ab Abschluss der Aufhebungsvereinbarung. Sofern die ordentliche Kündigung bei Betriebsänderungen und eine Abfindung an den betroffenen Arbeitnehmer zu zahlen ist, gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr.
Eine Kündigungsfrist von nur einem Jahr gilt bei Betriebsänderungen, sofern die ordentliche Kündigung bei Betriebsänderungen gegen Zahlung einer Abfindung zugelassen wird.
Im übrigen sind Ausnahmen vorgesehen, welche im Rahmen einer anwaltlichen Beratung zu klären wären.
Das Ruhen des ALG-Anspruchs führt nicht zu einer Minderung der Anspruchsdauer, es wird lediglich der Beginn der ALG-Zahlung hinausgeschoben.

Dauer des Ruhenszeitraums

Die Dauer des Ruhenszeitraums ist gestaffelt nach

  • Höhe der Abfindung
  • Lebensalter
  • Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Pflicht zur freiwilligen Krankenversicherung

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, eine (freiwillige) Krankenversicherung abzuschließen. Ausgenommen sind die Zeiten der Sperrfrist, in welchen er über die Bundesagentur für Arbeit krankenversichert ist.


IV. Vermeidung einer Sperrfrist

Eine Sperrfrist kann vermieden werden, wenn ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachgewiesen werden kann.
Der Arbeitgeber verwendet in Aufhebungsverträgen häufig folgende Formulierung:

„Das Arbeitsverhältnis wird zur Vermeidung einer ansonsten umumgänglichen arbeitgeberseitigen Kündigung zum … (ordentliche Kündigungsfrist) beendet.“

Die Agentur für Arbeit erkennt eine derartige Formulierung in der Regel nicht als wichtigen Grund an, die Praxis wird durch die Sozialgerichte bestätigt.

Ein wichtiger Grund wären zum Beispiel gesundheitliche Gründe, sofern deren Vorliegen durch den Arzt bestätigt werden kann, beispielsweise mit Formulierungen wie

aus ärztlicher Sicht ist die Beendigung der Arbeitstätigkeit dringend geboten, da bei Fortsetzung eine Verschlechterung des bereits angegriffenen Gesundheitszustandes zu befürchten ist.

Allerdings sollte dies vor Abschluss der Aufhebungsvereinbarung mit dem Arzt geklärt werden. Auch insoweit sollte ein Rechtsanwalt beratend hinzugezogen werden.

V. Regelungen im Aufhebungsvertrag

  • Gemäß den obigen Ausführungen ist es wichtig, die für den Arbeitgeber maßgebliche Kündigungsfrist als Beendigungszeitpunkt festzulegen. Bezüglich der Abfindungshöhe bestehen in der Regel Spielräume, insoweit sollte ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden.
  • Fälligkeit der Abfindungszahlung – möglicherweise empfiehlt sich aus steuerlichen Gründen eine Hinausschiebung der Abfindungszahlung
  • Steuerersparnis durch Ausgleichszahlung in die Rentenversicherung
  • Zusatzleistungen für die betriebliche Altersversorgung

Diese Zahlungen mindern die Entlassungsentschädigung und führen damit auch zu einer Verkürzung des Ruhenszeitraums!

  • Klärung des Anspruchs auf Gratifikations-/Prämienzahlung
  • Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung
  • Formulierungen im Zeugnis/Zwischenzeugnis
  • Wettbewerbsverbot
  • Sprinterklausel – Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung durch den Arbeitnehmer bei entsprechender Anhebung des Abfindungsbetrags.

Auf Augenhöhe!

Lassen Sie sich von Fachanwalt für Arbeitsrecht Georg Wenning beraten!

Mir geht es um Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe. Wichtig ist, dass Sie als Arbeitnehmer das Beste für sich herausholen und sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Berücksichtigen Sie bitte, dass der Arbeitgeber im Verhandeln geübt und sehr geschickt ist, insbesondere darin, Druck auf den Arbeitnehmer auszuüben.
Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags haben Sie einen Anspruch darauf, dass ein Rechtsanwalt hinzugezogen wird.
Sie sind im übrigen nicht arbeitsvertraglich verpflichtet, an Gesprächen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags teilzunehmen.
Lediglich bei einem reinen Personalgespräch (ohne Führung von Verhandlungen zum Aufhebungsvertrag) sind Sie zur Teilnahme verpflichtet.
Lassen Sie sich helfen. Ich habe in den letzten 30 Jahren unzählige Verhandlungen geführt. Welche Taktik wir wählen, hängt vom Einzelfall ab. In jedem Fall begegnen wir ihrem Arbeitgeber auf Augenhöhe und holen das Optimum für Sie heraus. Mehr zum Thema Mobbing in anschaulichen Geschichten verpackt finden Sie hier.

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