Arbeitsgericht Gera: Befristung nach WissZeitVG rechts­un­wirk­sam

POST-DOC-PHASE

Wie lange darf die Post-doc-Phase dauern? | Gibt es gesetzliche Vorgaben? | Gibt es universitäre Richtlinien?

1. Wortlaut der Befristungsdauer

(§ 2 Abs. 1 S. 3 Wissenschaftszeitvertragsgesetz/Novellierung 2016)

Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestreben Qua­li­fi­zie­rung angemessen ist. Das Gesetz enthält somit drei Vorgaben:

  • angestrebte Qualifizierung
  • angemessene Befristungsdauer für die angestrebte Qualifizierung
  • eine diesbezügliche Vereinbarung.

Die sachgrundlose Befristung gemäß § 2 Abs. 1 WissZeitVG setzt voraus, dass schriftlich auf die­se Vorschrift – WissZeitVG – Bezug genommen wird. Fehlt es an einer entsprechenden Zitierung, ist die Berufung auf die sachgrundlose Befristung des Wiss­ZeitVG unzulässig. Dient die Beschäftigung einer Qualifizierung (z. B. Habilitation), kann nicht auf die Vorschriften des Teilzeitbefristungsgesetzes zurückgegriffen werden. Das WissZeitVG enthält insoweit eine ab­schlie­ßen­de Regelung. Der Inhalt des Arbeitsvertrags unterliegt dagegen nicht dem Zitiergebot.

Welchen Inhalt hat der Arbeitsvertrag der Post-doc-Phase?

a) angestrebte Qualifizierung

Insoweit muss eine Verständigung mit dem Arbeitgeber/Hochschule/wissenschaftliche Ein­rich­tun­gen herbeigeführt werden. Sinnvoll ist die Festlegung eines Karriereplans.

b) angemessene Befristungsdauer

Die Befristungshöchstdauer beträgt in der Post-doc-Phase sechs Jahre. Der Vertrag über die Post-doc-Phase darf erst nach erfolgte Promotion abgeschlossen werden, dies richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften und der jeweiligen Promotionsordnung. Im Zweifelsfall ist es der Tag der förmlichen Verleihung des Doktorgrades. Wird der Vertrag vorher abgeschlossen, ist die Befristung nach dem WissZeitVG unzulässig, ei­ne hilfsweise Befristung nach dem Teilzeitbefristungsgesetz ist im Falle einer vereinbarten Qua­li­fi­zie­rung nicht zulässig.

Was ist eine angemessene Befristungsdauer für die Post-doc-Phase?

Die angemessene Befristungsdauer ist einzelfallbezogen mit Blick auf die Verhältnisse bei Ver­trags­schluss zu ermitteln. Es ist auf die Verhältnisse im jeweiligen Fach, das angestrebte Qua­li­fi­zie­rungs­ziel und der Stand der individuellen Qualifizierung des Arbeitnehmers abzustellen. Der Gesetzgeber gibt den Wissenschaftseinrichtungen auf, dass sie Leitlinien für die an­ge­mes­se­ne Befristungsdauer erstellen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um verbindliche Vorgaben, da sie einseitig aufgestellt wer­den.

Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Verlängerung der Befristungsdauer, wenn die an­ge­mes­se­ne Frist unterschritten wurde. Mit der Novellierung hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, dass die bis dahin üblichen Kurz­be­fri­stun­gen unterbunden werden sollten. Ziel des Gesetzgebers ist die Förderung des qua­li­fi­zier­ten, wissenschaftlichen Nachwuchses.

c) Vereinbarung über die Befristungsdauer

Es muss eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezüglich der Be­fri­stungs­dau­er herbeigeführt werden.

In welchem Umfang muss der Arbeitnehmer der Qualifizierungsaufgabe nachgehen kön­nen?

Nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes genügt es, wenn der Qualifizierungsanteil und die darauf ent­fal­len­de Zeit überwiegt. Sofern dies nicht gegeben ist, dürfte ein Anspruch auf Verlängerung der Befristung gegeben sein.

Weitere Möglichkeiten der Verlängerung der Post-doc-Phase

Gemäß § 2 Abs. 5 WissZeitVG verlängert sich die Post-doc-Phase insbesondere um Zeiten der krank­heits­be­ding­ten Arbeitsunfähigkeit und der Elternzeit.

Es gibt keine höchstrichterliche Entscheidung, soweit die drei Voraussetzungen des be­fri­ste­ten Vertrags nicht beachtet worden sind.

Urteil aus Gera

Allerdings gibt es nunmehr eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Gera vom 15.01.2020, Aktenzeichen: 7 Ca 95/19, in welchem ein Karrieregespräch und eine Karriereplanung nicht erfolgt sind. Das Arbeitsgericht Gera kommt zu dem Ergebnis, dass die Befristung nach dem WissZeitVG rechts­un­wirk­sam ist und der Vertrag unbefristet gilt.

In welchem Umfang ist der Personalrat zu beteiligen?

Die Tarifverträge der Länder enthalten häufig Bestimmungen, dass der Personalrat ein Mitbestimmungsrecht hat. In diesem Fall muß der Personalrat informiert werden über

  • die angestrebte Qualifizierung
  • die angemessene Befristungsdauer
  • die entsprechende getroffene Vereinbarung.

Geschieht dies nicht, ist die Befristung wegen unterbliebener Beteiligung des Personalrats rechtsunwirksam mit der Folge, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Kraft tritt.

Das WissZeitVG ist in der novellierten Fassung Neuland. Die Ausführungen zur POST-DOC-PHASE (z.B. Habilitation) zeigen, dass das Gesetz für den Arbeitgeber viele Fallstricke enthält, welche beachtet werden müssen. Bei Zweifeln an der Wirksamkeit der Befristung sollte in jedem Fall anwaltlicher Rat in Anspruch genommen werden. Ich stehe Ihnen gern für eine Erstberatung – Kosten 100,00 € zzgl. Mehrwertsteuer – zur Verfügung. Rechtsanwalt Georg Wenning, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Erläuterungen

Was ist ein Postdoc?

Postdoc (selten auch: Post-Doc oder im Deutschen auch Postdoktorand) ist ein Wissenschaftler, der nach Beendigung einer Promotion den Doktorgrad erlangt hat und nun an einer Universität oder einem Forschungsinstitut befristet tätig ist. Während dieser Zeit arbeitet er an Forschungsprojekten, wobei die Stelle des Postdoktoranden meist durch Drittmittel finanziert wird. Im Englischen ist Postdoc die Kurzbezeichnung von Postdoctoral scholar oder Postdoctoral researcher, was im Rahmen der Anglifizierung der Wissenschaften auch als Herkunft für diesen Begriff gilt. (Quelle: Wikipedia)

WissZeitVG?

Das Gesetz über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (Wissenschaftszeitvertragsgesetz – WissZeitVG) ermöglicht die Befristung von Arbeitsverträgen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals im Akademischen Mittelbau abseits der Beschränkungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Damit wird die Befristungsrichtlinie 1999/70/EG vom 28. Juni 1999 für den Wissenschaftsbereich umgesetzt. (Quelle: Wikipedia)