Kündigung während Kurzarbeit möglich?

Neues zu Kurzabeit und betriebsbedingter Kündigung in Zeiten von Corona

Kann der Arbeitgeber während der (coronabedingten) Kurzarbeit eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen?

Manche Branchen sind in der durch Corona bedingten Lage besonders hart von Kündigungen betroffen. Manche Arbeitgeber handeln zu schnell und nehmen die Arbeitnehmerrechte nicht wahr. Voreilig sprechen sie Kündigungen aus, auch wenn Kurzarbeit möglich wäre. Zu den Branchen gehört das Reinigungsgewerbe, das Hotel- und Gaststättengewerbe.

Grundlagen

Der Gesetzgeber setzt das Kurzarbeitergeld als arbeitsmarkt-politisches Instrument ein, um durch finanzielle Entlastung des Arbeitgebers den Erhalt von Arbeitsplätzen zu sichern und den Ausspruch von Kündigungen zu vermeiden. Die Kurzarbeit setzt voraus, dass es sich um eine vorübergehende Verkürzung der normalen Arbeitszeit handelt. Entscheidendes Merkmal ist vorübergehend. Die Rechtssprechung stellt hier ab auf eine Bestimmung in § 96 Abs. 1 Nr. 2, § 104 Abs. 1 S. 1 SGB III. Danach ist die Einführung von Kurzarbeit begrenzt auf 12 Monate.
Die Politik beabsichtigt eine Verlängerung bis zum 31.12.2021 mit dem Ziel des Erhalts von Arbeitsplätzen und der Vermeidung von Kündigungen. Kann der Arbeitgeber trotzdem während der Kurzarbeit eine Kündigung aussprechen?

Ohne Dringlichkeit ist die Kündigung unwirksam

Es müssen dringende betriebliche Gründe hinzukommen, ansonsten ist die Kündigung sozialwidrig und damit unwirksam.
Wenn die Kündigung auf denselben Gründen beruht, die zur Kurzarbeit geführt haben, liegen keine dringenden betrieblichen Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG vor. Es muss sich um einen dauerhaften Fortfall der Arbeitsmengen handeln, im Gegensatz zur Kurzarbeit, bei welcher nur der vorübergehende Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit gegeben ist.
Der dauerhafte Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit bezieht sich auf die Gesamtheit von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer im Betrieb. Ob ein dauerhafter Wegfall vorliegt, ist schwer vorherzusagen.
Es ist schwierig, einzuschätzen, wie lange im Rahmen der Pandemiebekämpfung Aufträge wegbrechen werden, da die Maßnahmen der Länder und Kommunen immer nur befristet getroffen werden, in Anpassung an die Pandemie-Gegebenheiten. Eine nur vorübergehende Betriebsschließung lässt den Beschäftigungsbedarf nicht dauerhaft entfallen.

Kurzarbeit bis Ende 2021

Der Gesetzgeber hat inzwischen die Dauer des Bezugszeitraums auf 21 Monate ausgedehnt. Die Verlängerung der Kurzarbeit um weitere 12 Monate – bis zum 31.12.2021 hat zur Folge, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine vorübergehende Verkürzung der normalen Arbeitszeit nicht nur bei 12monatiger Reduzierung, sondern bei 21monatiger Reduzierung! gegeben ist. Die Arbeitsgerichte werden daher die Verlängerung der Kurzarbeit bei der Prüfung, ob eine vorübergehende Reduzierung der Beschäftigung gegeben ist, miteinbeziehen. Für den Arbeitgeber ist es damit umso schwieriger, einen dauerhaften Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zu begründen. Zudem einige Tarifverträge regeln, dass eine betriebsbedingte Kündigung während der Kurzarbeit ausgeschlossen ist.

Erst die Leiharbeiter …

Vor Ausspruch der Kündigung muss der Arbeitgeber auch prüfen, ob andere freie Arbeitsplätze im Betrieb vorhanden sind, auf welchen der gekündigte Arbeitnehmer eingesetzt werden kann. Soweit der Arbeitgeber Leiharbeitnehmer in Bereichen beschäftigt, in welchen auch der zu kündigende Arbeitnehmer beschäftigt werden kann, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung die Leiharbeitnehmer entlassen.

Bei der Kündigung ist auch die soziale Auswahl zu berücksichtigen, welche sich auf alle vergleichbaren Arbeitnehmer zu erstrecken hat. Gemäß den gesetzlichen Kriterien sind hierbei zu berücksichtigen

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • Alter
  • Unterhaltsverpflichtungen
  • eventuelle Schwerbehinderung.

Kurzarbeit anstatt Kündigung?

Muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung prüfen, ob – als milderes Mittel – die Einführung von Kurzarbeit möglich ist?
In der Literatur wird teilweise eine entsprechende Verpflichtung angenommen. Das Bundesarbeitsgericht sieht eine entsprechende Verpflichtung nur in eingeschränktem Umfang:
Wenn der Betriebsrat die Einführung von Kurzarbeit geltend gemacht hat, muss der Arbeitgeber zunächst Kurzarbeit einführen und die Möglichkeiten der Kurzarbeit in vollem Umfang ausschöpfen, bevor er zu dem härten Mittel der Kündigung greift.

Kündigung – Kurzarbeitergeld

Mit Ausspruch der Kündigung entfällt das von der Agentur für Arbeit zu beanspruchende Kurzarbeitergeld. Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen regeln in diesen Fällen häufig, dass der Arbeitgeber den vollen Lohn schuldet. In Arbeitsverträgen ist auch häufig eine entsprechende Regelung enthalten, wenn nämlich das Kurzarbeitergeld an die Genehmigung durch die Agentur für Arbeit gekoppelt ist. Wenn eine entsprechende Regelung nicht vorhanden ist, schuldet der Arbeitgeber lediglich den Lohn in Höhe des Kurzarbeitergeldes.

Kurzarbeit – Kündigung durch den Arbeitnehmer

Der Arbeitnehmer kann während der Kurzarbeit das Arbeitsverhältnis kündigen. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen, nämlich 4 Wochen zum 15./Ende des Kalendermonats; arbeitsvertraglich sind manchmal längere Fristen auch für den Arbeitnehmer vereinbart.
Bezüglich des Lohns gilt das oben Gesagte:
Der gesetzliche Anspruch auf Zahlung von Kurzarbeitergeld entfällt. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung des vollen Lohns, wie zumeist in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder arbeitsrechtlich geregelt.
Bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber während der Kurzarbeit empfiehlt sich in jedem Fall, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen. Gleiches gilt selbstverständlich auch bei Ausspruch einer personen– oder verhaltensbedingten Kündigung während der Kurzarbeit.

Rahmenbedingungen für Kurzarbeitergeld

„Kurzarbeitergeld kann grundsätzlich gewährt werden, wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung oder zwischen Arbeitgeber und den betroffenen Beschäftigten eine arbeitsrechtliche Reduzierung der Arbeitszeit im Betrieb vereinbart wurde und damit ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall einhergeht. Folgende Bedingungen müssen erfüllt sein:

  • Der Arbeitsausfall beruht auf wirtschaftlichen Gründen (z.B. fehlende Aufträge, Rohstoffmangel) oder auf einem unabwendbaren Ereignis (z.B. Hochwasser, behördliche Anordnung, Corona-Krise).
  • Der Arbeitsausfall ist unvermeidbar und der Betrieb hat alles getan, um ihn zu vermindern oder zu beheben (z.B. in bestimmten Grenzen Nutzung von Arbeitszeitguthaben).
  • Der Arbeitsausfall ist vorübergehender Natur. Das bedeutet, dass innerhalb der Bezugsdauer grundsätzlich wieder mit dem Übergang zur regulären Arbeitszeit gerechnet werden kann.
  • Der Arbeitsausfall wurde der Agentur für Arbeit angezeigt.
  • Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer setzt nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung fort und es erfolgt keine Kündigung.
  • Der Arbeitsausfall ist erheblich. Das bedeutet, dass mindestens ein Drittel (NEU: 10%) der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.“ (Quelle: Arbeitsagentur)