MOBBING IM SUPERMARKT II
Mit der bisherigen Filialleiterin kann Lisa gut, dann kommt es zum Generationenwechsel und für die alleinerziehende Verkäuferin eines Berliner Supermarktes bricht ihre gewohnte Arbeitswelt nach 16 erfolgreichen Jahren zusammen. Anhand dieses Fallbeispiels zeige ich auf, wie es zu Mobbing am Arbeitsplatz kommen kann und welche Möglichkeiten Sie als Arbeitnehmer haben, heil aus der Situation wieder herauszukommen.
Lisa, 38 Jahre, alleinerziehende Mutter einer neunjährigen Tochter, arbeitet seit 16 Jahren in einem Supermarkt als gelernte Verkäuferin. Sie geht gern zur Arbeit. Sie versteht sich gut mit der Filialleiterin. Sie kommt mit den Kolleginnen gut zurecht.
Ihre offene und ehrliche Art wird allseits geschätzt. Die Filialleiterin zeigt zugleich Verständnis für die Probleme von Lisa als alleinerziehende Mutter einer neunjährigen Tochter. Dann kommt es zu einer entscheidenden Veränderung:
Die Filialleiterin fällt aus Altersgründen aus, ein junger, ehrgeiziger Filialleiter tritt an ihre Stelle. Er hat Probleme mit der offenen und selbstbewußten Art von Lisa. Er fühlt sich als Vorgesetzter durch Lisa nicht angemessen gewürdigt. Lisa merkt schnell, die Chemie stimmt nicht. Lisa hat ein ungutes Bauchgefühl und ahnt Böses.
Es gibt zunehmend Probleme bezüglich der Arbeitszeiten und der Betreuung der Tochter. Urlaubswünsche werden seitens des Filialleiters nicht mehr wie bisher angemessen berücksichtigt. Der Filialleiter äußert wiederholt seine Unzufriedenheit über die Leistung von Lisa. Diese Unzufriedenheit äußert er auch vor Kolleginnen: Bei einem Teamgespräch kanzelt er Lisa vor den Kolleginnen in barscher Weise ab.
Lisas Gesundheit wird zunehmend angegriffen, sie leidet unter schlechtem Schlaf, Alpträumen, sie ist gereizt gegenüber ihrer Tochter, auch die natürliche Freundlichkeit gegenüber den Kunden ist ihr nicht mehr möglich.
Sie sucht schließlich einen Rechtsanwalt auf in der Hoffnung, dass dieser eine Lösung für die verfahrene Situation erreichen könne. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit und auch im Hinblick auf die betriebliche Altersversorgung nicht vorstellbar.
In einem ausführlichen Schreiben an Personalleitung/Geschäftsführung listet der Rechtsanwalt bewußtes Mobbing durch den Filialleiter und die damit verbundene Gefährdung der Gesundheit der Mandantin auf. Er fordert die Arbeitgeberin zur Unterlassung der geschilderten Mobbinghandlungen auf und droht für den Fall der Fortsetzung mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Ferner verlangt er die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung.
Die Arbeitgeberin weist die Vorwürfe als unbegründet zurück und erhebt ihrerseits – „nach Rücksprache mit unserem Filialleiter“- schwere Vorwürfe gegen Lisa, dass sie ihre Arbeit nicht ordnungsgemäß verrichte, unzuverlässig sei und dass sie sich gegenüber dem Filialleiter im Ton vergreife sowie gegenüber den Kunden bisweilen unfreundlich und harsch reagiere.
Im Verlauf des weiteren Schriftwechsels muß Lisa feststellen, dass das Verhalten des Filialleiters vorsichtiger wird, zugleich steht sie nun unter verschärfter Beobachtung.
Da der Rechtsanwalt für die Erhebung einer Mobbingklage keine ausreichenden Erfolgsaussichten sieht, rät er ihr, über 6 Monate ein Mobbingtagebuch zu führen und die Vorfälle im Einzelnen festzuhalten.
Somit wird das Mandat zum Rechtsanwalt beendet.
In der Folgezeit spricht der Filialleiter zwei Abmahnungen gegenüber Lisa aus,
– zum einen wegen verspäteter Meldung der Arbeitsunfähigkeit,
– zum anderen wegen verspäteter Einreichung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.
Lisa legt gegen beide Abmahnungen Widerspruch ein, die Arbeitgeberin beharrt auf den erhobenen Vorwürfen, obwohl diese tatsächlich nicht begründet sind. Zu einer Entfernung der Abmahnungen ist die Arbeitgeberin nicht bereit.
In dieser Situation bewirbt sich Lisa auf eine freie Stelle in einer anderen Filiale der selben Gesellschaft. Die Bewerbung bleibt erfolglos, da die Personalakte mit zwei Abmahnungen belastet ist und der Filialleiter ihre Bewerbung behindert mit der zeifelhaften Begründung, dass sie in seiner Filiale benötigt werde.
In dieser ausweglosen Situation hat Lisa mich aufgesucht. Sie hat bereits vor Ausspruch der Abmahnungen eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen und spricht die Hoffnung aus, dass ich vielleicht einen anderen Weg zur Lösung der Probleme finden könne.
Wir haben schnell Klarheit, dass ein erneutes Anschreiben an die Arbeitgeberin nicht sinnvoll sei, auch war deutlich geworden, dass die nochmalige Auflistung des Mobbinggeschehens nicht zum Erfolg führen werde. Stattdessen habe ich empfohlen, gegen die Abmahnungen Klage beim Arbeitsgericht einzureichen und in einem Anschreiben darum zu bitten, dass die Personalleitung an der Verhandlung teilnehmen möge in der Hoffnung, dass man eine beide Seiten befriedigende Lösung finden werde.
Entsprechend habe ich Klage beim Arbeitsgericht eingereicht und die Arbeitgeberin in einem freundlichen Anschreiben von der Einreichung der Klage unterrichtet.
Gemäß meiner Empfehlung hat Lisa Kontakt zur früheren Filialleiterin aufgenommen, damit diese gegenüber der Personalleitung ein gutes Wort für die Klägerin einlegen und darauf hinweise, dass die jetzigen Schwierigkeiten offenbar in dem Verhalten des jungen Filialleiters begründet seien, man solle Lisa eine Chance in einer anderen Filiale geben.
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht habe ich dargelegt, dass das Arbeitsverhältnis in der bisherigen Filiale schwer belastet sei, ohne Mobbingvorwürfe zu erheben. Ich habe gebeten, die Verhandlung zu unterbrechen und mit der Personalführung und dem gegnerischen Bevollmächtigten eine ausführliche Besprechung in der angrenzenden Kantine des Arbeitsgerichts zu führen mit dem Ziel, eine Lösung zu finden, welche beide Seiten zufriedenstellen möge.
Es war schnell deutlich, dass die Arbeitgeberin dringend Arbeitskräfte sucht und eine Beendigungsvereinbarung nicht gewünscht wird. Die Arbeitgeberin erwähnte auch das Gespräch, welches sie mit der früheren Filialleiterin geführt habe und zeigte sich offen für einen Filialwechsel. Ein Austausch des jungen Filialleiters wurde nicht erwogen. Wir haben entsprechend vereinbart, dass die Abmahnungen, auch wenn sie nach unserer Auffassung nicht begründet waren, erst nach drei Monaten aus der Personalakte entfernt werden und dass sich Lisa sodann auf eine frei werdende Stelle in der nahe gelegenen anderen Filiale bewerbe solle.
Entsprechend wurde verfahren.
Im Hinblick auf die positive Veränderung und die sich auftuenden neuen Chancen in der neuen Filiale stand Lisa die restlichen Monate erfolgreich durch, sie wurde gelassener, selbstsicherer und freute sich, dass sie einen Ausweg aus der schweren Krise hatte finden können. Nach vier Monaten bewarb sich Lisa bei der Filiale erfolgreich als Verkäuferin. Das Umfeld stimmte, sie hatte guten Kontakt zu den Kolleginnen und zur neuen Filialleiterin. Die schwierige Zeit konnte sie hinter sich lassen und wieder neu beginnen.
Was war schief gelaufen, was hätte sie besser machen können?
Lisa hätte nach dem Ausscheiden der Filialleiterin von dieser ein Zwischenzeugnis erbitten sollen. Als sie wahrnahm, dass es Probleme mit dem neuen Filialleiter geben werde, hätte sie die Personalleitung aufsuchen können und den Wunsch nach einer Versetzung äußern können, da ihr Gefühl ihr sage, dass die Chemie nicht stimme und das eine unbelastete Zusammenarbeit wohl nicht gelingen werde. Die Bewerbung auf eine Stelle in einer anderen Filiale wäre auch erfolgreich gewesen, da die Personalakte nicht durch zwei Abmahnungen belastet war und der junge Filialleiter sie in ihrer Bewerbung nicht hätte behindern können.
Vielleicht wäre ein Beratungsgespräch bei einem Rechtsanwalt in dieser frühen Phase des Konflikts hilfreich gewesen.