Gedanken zum Mobbing

Der Herbst ist da, die Blätter fallen. Aber nicht nur die. Auch die Laune. Wenn die Tage kürzer, kälter und dunkler werden, steigen die Gespenster der Vergangeheit aus dem Gefühlsnebel und versauen uns den Tag und das (Arbeits-)Leben. Arbeitszeit ist Lebenszeit, da möchte man mit den vielen Stunden auf Arbeit Spaß und Erfüllung verbinden und keine unschönen Erlebnisse. Nicht selten aber, ist es ganz anders als gedacht. Aktuell geben 46% der befragten Menschen in Deutschland an, dass sie bereit seien, ihren Arbeitsplatz zu wechseln. So rosarot kann es also gar nicht zugehen im Job.


Im Herbst fallen die Blätter, aber nicht nur die:

Hätten Sie gewusst?

Der Mensch ist des Menschen Wolf. Diesen berühmten Spruch von … kennen Sie bestimmt*. Kennen Sie den Autor? Nicht gewusst? Sie Esel!

Sie merken schon, Tiere spielen in unserer Sprache eine große Rolle – und auch in diesem kleinen Beitrag zum Mobbing – vor allem, wenn wir andere herunterputzen wollen. Wenn wir sie abwerten wollen, sie kleiner machen wollen, sie zu Tieren erklären, zu Nicht-Menschen. Es gab einen Deutschlehrer, der nannte seine Schülerinnen bei ihrem Versagen immer “Schöner weißer Vogel” und war damit auf der sicheren Seite, aber nicht unbedingt auf der guten. Dumme Gans wollte er sagen, aber das wäre einer Beleidigung gleichgekommen.

*AUFLÖSUNG: homo homini lupus – Wer hat´s erfunden: – Titus Maccius Plautus? – Thomas Hobbes? – oder Schopenhauer? Die Lösung: zuerst der Römer (2.Jhd. vor Christus, dann der Engländer im 17-Jahrhundert und letztendlich der Deutsche im 19.Jahrhundert. Und dazwischen und davor gab es diese Einsicht sicher bei ganz vielen Menschen, von denen wir keine diesbezügliche Überlieferung haben.


Die Parallelen zwischen Tierreich und Menschenwelt sind verblüffend. Schweine sind saubere Tiere, wer andere mit Drecksau tituliert, irrt sich einfach. Das meine ich nicht mit Parallelen. Ich meine die Übereinstimmungen im tatsächlichen täglichen Verhalten. Der Herdentrieb bei den Schafen ist leicht zu übertragen auf uns Menschen. Die berüchtigte Schwarmintelligenz wird spätestens seit Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“ von 2004 gern zitiert. Wenn Sie glauben, dass Menschen die besseren höheren Wesen sind und nichts mit Tieren gemein haben, dann sollten sie an dieser Stelle nicht weiterlesen. Für viele kann aber der Gedanke ein tröstlicher sein, nicht alleine mit diesem Phänomen zu sein, es widerfährt vielen Mitmenschen und ist dabei noch älter als die Menschheit. Die meisten wissen es doch, ahnen oder spüren es: wir sind eben Tiere. Scheinbar mit Verstand ausgestattet, aber genauso mit Reflexen, Trieben und Übersprunghandlungen versehen wie unsere tierischen Erdmitbewohner.

Mobbing im Tierreich

Im Tierreich wurde das Phänomen Mobbing 1963 vom Verhaltensforscher Konrad Lorenz zunächst im Tierreich beobachtet. Mit Mobbing bezeichnete er Gruppenangriffe von mehreren schwächeren Tieren auf einen überlegenen Gegner, beispielsweise Gänse, die gemeinsam einen Fuchs verjagen. 1968 übertrug der schwedische Arzt Peter-Paul Heinemann erstmals den Begriff auf (menschliche) Gruppen, die eine sich von der Norm abweichend verhaltende Person angreifen. Bekannt in der heutigen Bedeutung wurde Mobbing durch den in Schweden arbeitenden und lehrenden deutschen Arzt und Psychologen Heinz Leymann. Dieser wendete den Begriff „Mobbing“ in Bezug auf das Arbeitsleben an.

Das scheint anders zu sein als beim Mobbing am Arbeitsplatz, wo meist das schwächste Glied in der Kette, häufig auch mit Unterstützung des Chefs angegangen wird. Aber es gibt schon Gemeinsamkeiten: der vermeintliche Fremde, der Eindringling in die funktionierende Gruppe (aus Mobbern), der Andersartige wird gemeinsam „abgewehrt“. Und genau das passiert auch im Arbeitsleben, wenn man möglicherweise anders ist als die anderen und zu deren Zielscheibe wird. Sich dieser Situation zu entziehen, ist ratsam.

Manchmal hilft die Versetzung oder ein neuer Job. Wenn einem z.B. in einem Pflegejob die Klienten täglich bestätigen, wie gut man seine Arbeit verrichtet und nur die Einsatzzentrale das anders sieht, dann ist es Zeit für einen Wechsel. Auch die Flucht ist ein archaischer Reflex, der aber auch mal einem Aussitzen vorzuziehen ist. Wenn sich auch die Patienten gegen einen stellen, sollte man allerdings in sich gehen und überlegen, welchen möglichen Eigenanteil an der Situation man selber hat.

Gerade beim Thema Mobbing ist es offensichtlich, wie viel wir mit den Tieren gemein haben. Im Grunde muss es wenig überraschen, dass es dieses Phänomen gibt. In der Evolution wird nichts „weggeschmissen“. Was für Körperteile gilt, gilt auch für Verhaltensweisen. Alles bleibt irgendwie erhalten und wird höchstens leicht verändert. Gerne wollen wir uns von den Tieren unterscheiden. Aber dem ist nicht so. Alles ist schon mal dagewesen, Mobbing scheint älter zu sein als der Homo Sapiens. Es gibt sogar bei Vögeln ein interessantes Verhalten, das Mobbing genannt wird. Hier schließen sich kleinere schwächere Tiere zusammen, um größere stärkere Widersacher abzuwehren. Z.B. Spatzen gegen Greifvögel oder Gänse gegen einen Fuchs (siehe unten).

Wenn es aber nur die Kollegen sind, die mit einem nicht klarkommen, dann gibt es womöglich eine andere Arbeitsstelle, zu deren Team man besser passt. Da kann ein Wechsel Wunder vollbringen. Bisweilen ist es auch so, dass sich das Team um einen verändert und man schrittweise ins Abseits gerät (siehe Supermarkt-Mobbing). In solcher Situation sollte man das Gespräch suchen und es nicht mit sich alleine ausfechten. Wenn wir uns schon von den Tieren unterscheiden, dann darin, dass wir über mehr Potential verfügen (können). Unsere soziale Intelligenz macht es möglich, unser Verhalten zu reflektieren und nach Auswegen zu suchen. Dazu müssen wir erst einmal zur Ruhe kommen und uns von außen betrachten. Dem einen oder anderen kann es helfen, dass er einsieht, dass das Verhalten der anderen nicht unbedingt mit ihm selbst zu tun hat, sondern dass es ein soziales Muster ist, das bereits in der Tierwelt vorhanden ist. Innerhalb einer Gruppe bildet sich fast zwangsläufig eine Hackordnung aus (siehe Mobbing im Hühnerstall). Es bleibt nur die Frage, ob wir diese Ordnung als Gott gegeben ansehen oder ob wir aktiv werden und unser Schicksal in die Hand nehmen.


Mobbing macht krank

Eine Tasse Tee, ein wenig Ruhe hilft, einen klaren Kopf zu bewahren.

Ein wichtiges Ergebnis vieler Tierstudien belegt: Sozialer Druck beeinflusst das Immunsystem. Ganz eindeutig ist es so bei Rhesusmakaken-Weibchen. Das haben britische Forscher schon vor ein paar Jahren herausgefunden. Je nach sozialem Status waren die Tiere an- oder unanfälliger für Krankheitserreger. Auch bei anderen uns nahen Verwandten im Tierreich gibt es ähnliche Beobachtungen, z.B. beim Pavian, der an Herzrasen leidet, weil er in der Gruppe nur eine Randposition besetzt und nicht zu den Weibchen gelassen wird. Er muss jeden Moment damit rechnen, von anderen, über ihm stehenden Mitgliedern angegriffen zu werden. Schließlich stirbt er relativ jung an Herzversagen. Dass Mobbing und großer sozialer Druck auf Arbeit auf Dauer krank machen, ist bei Menschen bekannt. Schon deshalb sollten wir uns einem Mobbing entziehen. Unsere Gesellschaft ist nicht ganz so starr wie die beschriebene der Paviane. Ein starker Rückhalt in der Familie, im Sportverein oder im Freundeskreis können den sozialen Druck am Arbeitsplatz ausgleichen. Das haben übrigens auch die britischen Forscher herausgefunden: Die beobachteten Weibchen wurden wieder gesund, wenn sie trotz ihres niedrigen Statutes ein Netzwerk an Beziehungen innerhalb der Gruppe aufgebaut hatten.