Karstadt – Insolvenz 2022

Was tun? – Eine Empfehlung für Arbeitnehmer

Ende Oktober 2022 ist erneut ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, obwohl Galeria-Kaufhof-Karstadt aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond insgesamt 680 Mio. Euro an Unterstützungsgeldern erhalten hatte.

Im März 2023 wird es ernst

Ein weiteres Unterstützungspaket in erheblicher Höhe scheiterte daran, dass der Eigentümer SIGNA, Hauptgesellschafters René Benko, nicht bereit war, eigene Mittel in größerem Umfang beizusteuern. Erneut droht die Schließung von Kaufhäusern, auch in Berlin.

Der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Arndt Geiwitz teilt mit, dass im Verlaufe des März 2023 eine Information über anstehende Schließungen herausgehen wird.

Was ist zu tun?

Ich empfehle jedem Mitarbeiter, aufgrund der unvermeidlich auftretenden rechtlichen Probleme alsbald dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtliche Vertretung ohne finanzielle Risiken erfolgen kann durch

  • Beitritt zur Gewerkschaft Verdi oder
  • Abschluss einer Rechtsschutzversicherung.

Dies gilt auch für Mitarbeiter, deren Standort von einer Schließung voraussichtlich nicht betroffen sein wird. Auch diese Mitarbeiter werden von Veränderungen/Umstrukturierungen betroffen sein, so dass Beratungsbedarf gegeben ist.

Wer ist von der Schließung betroffen?

Der Insolvenzverwalter hat bereits mitgeteilt, dass im Falle der Standortschließung der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen beabsichtigt sei. Zunächst ist zu prüfen, ob Sie von der Standortschließung betroffen sind, wenn Sie zuvor an einem anderen Standort eingesetzt waren.

Trotz Wegfall des Arbeitsplatzes ist der Ausspruch der Kündigung für den Arbeitgeber mit vielen rechtlichen Risiken verbunden, es gibt eine Vielzahl von möglichen Unwirksamkeitsgründen, auch wenn das Gesetz im Falle der Insolvenz an den Ausspruch von betriebsbedingten
Kündigungen geringere Anforderungen stellt. In vielen Fällen besteht besonderer Kündigungsschutz:

  • bei Schwangerschaft
  • bei Elternzeit
  • bei Pflegezeit
  • bei Berufsbildung
  • bei Schwerbehinderung
  • tariflich/gesetzlich besonders gestaltete Arbeitsverhältnisse
  • Tätigkeit im Betriebsrat
  • als Datenschutzbeauftragter.

Die Aufzählung ist nicht abschließend! Der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter hat in diesen Fällen besondere gesetzliche Vorschriften zu beachten.
Der Arbeitgeber muss auch folgende weitere Anforderungen beachten:

  • Soziale Auswahl. Auch wenn in der Regel Vereinbarungen mit dem Betriebsrat bezüglich der sozialen Auswahl getroffen werden, ist eine Überprüfung auf grobe Fehlerhaftigkeit zulässig.
  • Der Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung anzuhören.
    Auch hier geschehen häufig Fehler.
  • Die Schwerbehinderung ist bei Schwerbehinderung/Gleichstellung zusätzlich zu beteiligen. Auch hier ergeben sich häufig Fehler.
  • Massenentlassungsanzeige der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 KSchG zu erstatten, bevor er Arbeitnehmer entlässt. An die Anzeige sind besonders strenge formelle Forderungen gestellt, welche das Risiko von Fehlern beinhalten.
    Hier ist an die Insolvenz von Air Berlin zu erinnern, das Bundesarbeitsgericht hatte die Massenentlassungsanzeige als nicht ordnungsgemäß beanstandet, eine Vielzahl von Kündigungen war rechtsunwirksam.

Kommt die Transfergesellschaft?

Bei der Insolvenz im Jahre 2020 hatten die Betriebsparteien einen

Interessenausgleich Sanierung im Schutzschirmverfahren
Sozialplansanierung im Schutzschirmverfahren

abgeschlossen.

Der Sozialplan enthielt auch die Einrichtung einer Transfergesellschaft, in welche die Mitarbeiter nach Schließung der Filiale wechseln konnten.
Es ist davon auszugehen, dass auch im vorliegenden Insolvenzverfahren/Schutzschirmverfahren die Betriebsparteien (Arbeitgeber und Betriebsrat) einen Interessenausgleich und Sozialplan am Rahmen des Schutzschirmverfahrens abschließen werden und ferner eine Transfergesellschaft errichten werden mit der Möglichkeit, nach Schließung in die Transfergesellschaft zu wechseln.

Es stellt sich insoweit die Frage, ob ein Wechsel in die Transfergesellschaft empfehlenswert ist. Auch dies ist sorgfältig unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen.

Die Betriebsvereinbarungen werden, wie schon in 2020, auch die Möglichkeit eines freiwilligen Austritts gegen Zahlung einer Abfindung vorsehen. Auch hier sollte sehr sorgfältig geprüft werden, welches im konkreten Fall die für den Arbeitnehmer beste Lösung ist.

Abschließend eine Empfehlung

Die Mitarbeiter bei Karstadt sind nach meiner Erfahrung in besonderem Umfang belastet. In vielen Fällen ist zumindest eine MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) in Höhe von 30 % gegeben. Diesen Mitarbeitern empfehle ich daher folgendes Vorgehen:

  • Stellung eines Antrags auf Anerkennung als Schwerbehinderter beim Versorgungsamt/Landesamt für Gesundheit und Soziales
  • Sofern eine Anerkennung im Umfang von 30 %, jedoch weniger als 50 % erfolgt:
  • zusätzlich Antrag auf Gleichstellung bei dem für den Wohnort zuständigen Arbeitsamt.

Mit Bewilligung der Gleichstellung sind Sie einem Schwerbehinderten gleichgestellt und genießen den besonderen Schutz der Schwerbehinderten, insbesondere ist der Ausspruch der Kündigung nur zulässig mit Zustimmung des Versorgungsamtes/Integrationsamtes. Für den Arbeitgeber ergeben sich insoweit Verzögerungen beim Ausspruch der Kündigung.

Sollten Sie mit 50 % GdB und mehr anerkannt werden, entfällt die Notwendigkeit einer Gleichstellung.

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