Sind Sie aktuell von Mobbing betroffen? Haben Sie das Gefühl oder die berechtigte Annahme, dass man sich gegen Sie auf Arbeit verschworen hat, um Sie loszuwerden? Lesen Sie diese wahre Geschichte eines aktuellen Mobbingopfers und wie sie es geschafft hat, aus der Opfer- in die aktive Rolle zu schlüpfen.
Geschichten haben den Reiz, uns Situationen näher zu bringen. Zu Beginn der Menschwerdung waren es die Geschichten am Lagerfeuer, bei denen man sich zusammen gruselte und neue Inhalte vermittelt bekam – mit einem Mix aus Emotionen und spannend verpackten Schilderungen. In der Neuzeit wurde das Geschichtenerzählen ins Theater verlagert, dann ins Lichtspielhaus und schließlich ins Heimkino vor der Mattscheibe auf der Couch. Abgelöst wird das ganze gerade durchs Internet und so versammeln sich immer mehr Menschen vor dem Computer und googlen Geschichten, die sie ansprechen. Wenn Sie etwas zum Thema Mobbing suchen, dann sind sie hier richtig. Ich kann aus erster Hand berichten, ich bin eine Quelle. Arbeitsrecht ist eine recht trockene Materie, die dazu noch schwer zu durchschauen ist. In allen Fällen meiner Laufbahn steckt natürlich auch immer viel Persönliches, der Mensch eben. Um anderen ein Beispiel zu geben, damit man sich selbst möglicherweise identifizieren oder angesprochen fühlen kann, schreibe ich als Fachanwalt für Arbeitsrecht in dieser Rubrik heute über einen konkreten Mobbingfall. Vielleicht läßt sich dadurch mehr vermitteln, als über das bloße Zitieren von Paragraphen und erlassenen Urteilen. Nach den Geschichten aus dem Tierreich (Mobbing bei Hühnern …) oder einer aus der Welt des Fußballs, komme ich heute näher an den Menschen heran. Der Name in diesem Fall wurde geändert, die Situation dahinter hat das Leben geschrieben. Vielleicht erkennen Sie sich darin wieder. Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme. Georg Wenning, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Mobbing-Experte.
Die Leiden der Frau F.
1. Vorgeschichte
Frau F. ist bei einer deutschen Großbank seit mehr als 10 Jahren als AT-Angestellte beschäftigt. Mit der Jobbeschreibung Seniorfirmenbetreuerin und stellvertretende Teamleiterin wird deutlich, dass sie es weit gebracht und sich eine wichtige Stelle im Unternehmen erarbeitet hat. Der Erfolg bleibt nicht ohne Konsequenzen – ihre Gesundheit leidet. Nach etwa fünf Jahren kommt es zu einer schweren Burn-Out-Erkrankung. Für mehr als ein Jahr bleibt sie arbeitsunfähig. Frau F. hatte zuvor wiederholt eine Überlastungsanzeige gestellt und um personelle Verstärkung gebeten. Ihre Notrufe blieben unerhört.
Nach ihrer Rückkehr ist ihr – entgegen einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung – ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) nicht angeboten worden. Trotz erneuter Belastungsanzeigen wird ihr eine personelle Verstärkung verweigert. Stattdessen wird Frau F. – ohne vorherige Rücksprache – die stellvertretende Teamleitung entzogen.
Frau F. wird zum Mobbing-Opfer
Frau F. hat die Probleme mit dem Vorgesetzten besprochen, ohne Ergebnis. Seit etwa einem Jahr nach Rückkehr entfalten der Vorgesetzte und die Bereichsleiterin Aktivitäten, um Frau F. loszuwerden. Sie wird in einer Beförderungsrunde übergangen. Auf entsprechende Nachfrage wird ihr mitgeteilt, dass sie „nicht stabil sei“. Statt Mitgefühl oder Verständnis wird sie aufs Abstellgleis gestellt und als Mitarbeiterin wie auch als Mensch ignoriert:
Frau F. wird von notwendigen Fortbildungen ausgeschlossen, dies gilt insbesondere für notwendige Wirtschafts- und Steuerseminare, Seminare im Bilanzierungsrecht, Seminare für Führungskräfte. Damit hört das Ganze nicht auf: Frau F. wird der Erwerb von Zusatzqualifikationen verweigert. Frau F. wird der Zugriff auf notwendige Kundendaten entzogen. Sie wird von entsprechenden Informationen, welche zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendig sind, abgeschnitten. Die jährliche Bonuszahlung wird – ohne Grund – gekürzt. Ein diesbezüglich von Frau F. erbetenes Gespräch mit der Vorgesetzten wird von dieser verweigert. Kommunikation findet nicht statt. Der Tatbestand des gezielten systematischen Mobbings ist erfüllt.
Frau F. erkrankt erneut schwerwiegend. Während dieser krankheitsbedingten Abwesenheit – und auch schon während der früheren Krankzeit – wirbt ihr Stellvertreter wichtige Großkunden ab, die Frau F. betreut hatte. Ein von ihr verlangtes Gespräch mit dem Stellvertreter wird von diesem – mit Unterstützung der Vorgesetzten – verweigert.
Schon nach der ersten Erkrankung hatte Frau F. gegenüber ihren Vorgesetzten eine Aussprache verlangt, welche ohne Angabe von Gründen verweigert wurde.
Frau F. erhält Kenntnis von einem regen E-Mail-Verkehr ihrer unmittelbaren Vorgesetzten mit ihrem Stellvertreter, in welchem diese sich über Frau F. lustig machen. Schließlich wird Frau F. auch noch das von der Firma gestellte Smart-Phone entzogen – ebenfalls ohne Angabe von Gründen. Das Maß ist voll und Frau F. sucht Hilfe woanders. Sie beginnt aus ihrer Opferrolle herauszutreten und aktiv zu werden. Sie wendet sich in diesem Fall an einen Arbeitsrechtler und macht einen Termin in meiner Kanzlei am Kudamm.
II. Frau F. geht ihren Weg
Als mich Frau F. aufsucht, müssen wir zunächst klären, welches das eigentliche Ziel ihrer Beauftragung ist. Und das festzustellen, ist gar nicht so einfach. Das ganze menschliche Leid, was Frau F. widerfahren ist, schreit förmlich nach Rache. Aber schnelle Reaktionen sind wenig hilfreich, jetzt ist ein kühler Kopf gefragt. Dazu höre ich mir den jeweiligen Fall erst einmal ganz ruhig an. Das Erstgespräch setzt meist einen länger währenden Prozess in Gang, dabei meine ich einen Gedankenvorgang, denn von einem Prozess vor Gericht rate ich aus bestimmten Gründen ab. Das mag den Leser überraschen, aber als Rechtsanwalt zielt man nicht immer auf einen Prozess, der muss ja auch Sinn machen und ein Ziel haben. Und genau dazu dient das Erstgespräch.
Im Falle von Frau F. gab es eine Vorgeschichte, sie hatte bereits eine Mobbingberatung aufgesucht und dortige Hilfe in Anspruch genommen. Daher war sie im Kopf bereits einen Schritt weiter, als sie zu mir kam. Sie sah für sich keine Möglichkeit mehr, bei der Großbank weiter zu arbeiten. Auch bei einer Versetzung in eine andere Abteilung bliebe sie der bisherigen Bereichsleiterin unterstellt, welche ihr Vertrauen in schwerwiegender Weise zerstört hat. Die Erhebung einer Mobbingklage, verbunden mit einer erheblichen Schadensersatzzahlung, haben wir ausführlich erörtert.
Ein Prozess als Lösungsansatz wurde aber verworfen, da Frau F. so schnell wie möglich wieder in eine befriedigende, anspruchsvolle berufliche Tätigkeit kommen wollte. Ein Prozess würde die während des Mobbings verursachten Wunden immer wieder neu aufreißen und sie nicht zur Ruhe kommen lassen. Am Ende könnte sie kaum erwarten, dass die „Täter“ sich für ihr Handeln entschuldigten und sie daraus eine Genugtuung erfahren würde. Auch der Antrieb vieler Mobbingopfer, dass sie ihren Kollegen diese Erfahrungen ersparen möchten, ist löblich aber wenig realistisch. Die Täter werden sich nicht bekehren lassen, besser ist es, den Arbeitsplatz zu wechseln und dort neu und unbelastet durchzustarten
Mobbingopfer suchen Gerechtigkeit
Wenn das Ziel die Beendigung, Wiederherstellung der Gesundheit und Aufnahme einer neuen Tätigkeit bei einem anderen Unternehmen ist, ist ein rein konfrontatives Vorgehen nicht angezeigt. Denn dazu braucht man viel Zeit und Durchhaltevermögen. Besser ist es, nach vorne zu schauen und die Situation aktiv steuernd hinter sich zu lassen. Jetzt komme ich sozusagen als Lotse ins Spiel.
Der Rechtsanwalt als Lotse
Ich schreibe in diesen Fällen eine freundlich gehaltene E-Mail unmittelbar an den Personalleiter bzw. die Geschäftsführung und führe aus, dass es in der Vergangenheit zu erheblichen Problemen im Arbeitsverhältnis gekommen ist, welche einer notwendigen vertrauensvollen und erfolgreichen Zusammenarbeit entgegenstehen und rege eine persönliche Rücksprache gern auch in deren Geschäftsräumen an, in der Hoffnung, dass eine beide Seiten befriedigende Lösung gefunden werden kann. Ich bitte ferner um vertrauliche Behandlung des Schreibens.
Ein solches Schreiben enthält die Botschaft an den Arbeitgeber, dass man auch über eine Beendigung verhandeln kann – selbstverständlich unter der Voraussetzung, dass man ein positives Verhandlungsergebnis für den Arbeitnehmer erreicht. Es enthält weiter die Botschaft, dass der Arbeitgeber nicht auf die Anklagebank gesetzt werden soll.
Außer bei Behörden melden sich die angesprochenen Personen in der Regel kurzfristig und erklären die Bereitschaft zu einer Besprechung.
Ein solches Vorgehen ist auch deswegen wichtig, weil der Arbeitnehmer – wie im vorliegenden Falle ebenfalls gegeben – eine Veränderung wünscht, welche möglichst zügig umgesetzt werden sollte. Ein gerichtliches Verfahren würde diese Veränderung hinausschieben und – in aller Regel sogar unmöglich machen.
Die Besprechung mit dem Arbeitgeber findet ohne meinen Mandanten statt. Die Hinzuziehung der Mandantin hätte zur Folge, dass die Besprechung sich verzettelt in wechselseitigen Vorwürfen.
Methode der Gesprächsführung
Ich befürworte die Schaffung einer Gesprächsatmosphäre, in welcher Brücken nicht eingerissen werden. Ich liste zunächst die schwerwiegenden Verstöße auf, zu welcher der Arbeitgeber in der Regel mit Vorwürfen gegen die Mandantin reagiert. Der Streit muss nicht ausgetragen werden, beide Versionen können im Raum stehen bleiben. Ich reagiere gerne mit der Bemerkung, dass ich meinen Beruf gerne ausübe, weil ich immer wieder die Erfahrung mache, dass es gegensätzliche Erfahrungen und Auffassungen gibt. Ich weise darauf hin, dass eine Beendigungsvereinbarung voraussetzt, dass
- die Mandantin gesundheitlich auf die Beine kommt
- die Wahrnehmung von Coaching wichtig ist, um eine Verarbeitung des zurückliegenden Geschehens zu erreichen
- Coaching ist auch erforderlich, um eine Orientierung auf neue berufliche Aufgaben vorzunehmen und den Bewerbungsprozess zu begleiten
- soweit erforderlich, sind Qualifizierungsmaßnahmen zu absolvieren, um gegenüber einem neuen Arbeitgeber „attraktiver“ zu werden.
Ich weise darauf hin, dass es sich hierbei um einen langen Zeitraum handelt und in jedem Fall vermieden werden muss, dass die Arbeitnehmerin wegen Zeitnot unter Stress gerät.
Folterinstrumente können helfen
Keine Probleme bereitet die Verständigung auf das Zeugnis, soweit eine Verständigung über die Höhe einer Abfindungszahlung und die Dauer der Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung erfolgt ist.
Wichtig ist – insbesondere bei Führungspositionen – auch die Verständigung über die Kommunikation nach innen und außen und die Frage des Wettbewerbsverbots.
Ich übe in diesen Fällen auch gern Druck aus, indem ich andeute, welche „Folterinstrumente“ ich ausspielen kann, falls eine einvernehmliche Regelung nicht gefunden werden sollte.
Dem Arbeitgeber ist in der Regel an einer diskreten einvernehmlichen Lösung gelegen, dies gilt auch für „hartgesottene“ Arbeitgeber.
Auch im vorliegenden Fall konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, welche für den angestoßenen Genesungsprozess bei Frau F. von entscheidender Bedeutung war.
III. Die Aufhebungsvereinbarung als Schüssel
Um Nägel mit Köpfen zu machen, muss eine Aufhebungsvereinbarung aufgesetzt werden. In dieser müssen wichtige Punkte ausgeführt werden:
- einvernehmliche Beendigung mit sehr weiter Kündigungsfrist (damit Arbeitnehmerin genügend
Zeit hat, die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und sich, soweit nötig, zu qualifizieren und – nach Wiederherstellung der Gesundheit – sich auf neue Aufgaben zu bewerben - Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche
- Vereinbarung der Nutzung des Firmenwagens bis zum Ausscheiden
- im Falle, dass Arbeitgeber von einer Lohn(fort-)zahlungsverpflichtung entbunden ist, werden die nicht gezahlten Gehaltsbeträge abfindungserhöhend ausgezahlt
- Zahlung einer Abfindung in erheblicher Höhe, wobei der Anspruch mit Vertragsunterzeichnung vererblich ist
- Erstattung von Coachingkosten gegen Nachweis
- Bewilligung von firmeninternen Qualifizierungsmaßnahmen/Erstattung von externen Qualifizierungskosten in begrenzter Höhe
- Vereinbarung über Bonuszahlung im zurückliegenden Jahr und im laufenden Jahr
- Zeugniserteilung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“, entsprechende Dankes-, Bedauerns- und Gute-Wünsche-Formel. Als Grund für die Beendigung wird angegeben, dass Arbeitnehmerin auf eigenen Wunsch ausscheidet, um sich neuen Aufgaben zuzuwenden.
- Erteilung eines entsprechenden Zwischenzeugnisses
- Rückgabe der Arbeitsmaterialien/Schlüssel etc.
- Vereinbarung einer internen und externen Kommunikation bezüglich des Ausscheidens
- einvernehmliche Benennung der Referenzpersonen, soweit Dritte um Referenzen nachsuchen sollten
- Ausgleichsklausel
IV. Epilog
Frau F. hat sich von der schweren Erkrankung erholt und befindet sich in einer anspruchsvollen neuen beruflichen Tätigkeit. Das erlittene Mobbinggeschehen wird im Rahmen einer Psychotherapie aufgearbeitet, damit keine Traumata zurückbleiben und kein Rückfall in die Opferrolle vorprogrammiert ist.
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