Update Karstadt Insolvenz 2024

KARSTADT – INSOLVENZ 2024

Was tun? – Empfehlung für Arbeitnehmer

Der Warenhauskonzern GALERIA KARSTADT KAUFHOF (GKK GmbH) ist zum 3. Mal innerhalb von 3 1/2 Jahren insolvent. Wer jetzt noch als langjähriger Arbeitnehmer dabei ist, wird sich fragen, war es das jetzt? Kommt jetzt die Lösung für die verbleibenden Standorte, wird jetzt alles besser oder wird sich die Situation auch mit dem neuen Eigentümer nicht entspannen?

In dieser Lage kann man schon an den Punkt geraten, dass man nicht mehr weiter weiß. Eine Beratung wäre gut: Welche Möglichkeiten habe ich derzeit als Arbeitnehmer? Verspiele ich meine Vorteile, wenn ich tätig werde und mich nach einem neuen Job umsehe. Letzendlich haben das schon viele vor mir getan. Die Kaufhaus-Krise schwelt über viele Jahre und nur auf dem Papier wird alles gut. Welche großen Hoffnungen wurden letztendlich die letzten Jahre geweckt! Nach Nicolas Berggrün, der 2010 die insolvente Warenhauskette Karstadt übernommen hatte, kam René Benko bereits 2012 ins Spiel.

Wesentlicher Grund für die neuste Pleite ist die Insolvenz der SIGNA Gruppe – deren Eigentümer besagter René Benko ist. Von diesem zu­ge­sag­te Finanzmittel für die Sanierung der Kaufhauskette im Umfang von 200 Mio. Euro sind nicht geflossen. Dazu kommen überteuerte Mieten, insbesondere seitens der SIG­NA Gruppe, welche z.B. zur Schließung der Karstadtfiliale in Potsdam führte. Jetzt sollen die Warenhäuser an neue Eigner gehen: den Ex-Vorstandchef des Kosmetikkonzerns Coty Bernd Beetz und den kanadischen Handelsunternehmer Richard Baker. Letzterer ist ein alter Bekannter: er war schon einmal über die Firma HBC vier Jahre Eigentümer von Galeria Kaufhof (noch vor der Fusion mit Karstadt) und hatte 2019 an die Signa-Gruppe verkauft.

Von den insgesamt noch 92 Kaufhäusern sind 16 von der Schließung betroffen, darunter drei Häuser in Berlin:

  • Ringcenter
  • Tempelhof
  • Spandau

Von den derzeit rund 12.800 Arbeitsplätzen sollen 1.400 abgebaut werden, was in etwa jeder neunten Stelle entspricht. Auch der Name wird sich ändern: Die Marken Karstadt und Kaufhof werden verschwinden, es bleibt nur Galeria. Die beiden ersteren seien, so der Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus, zu sehr mit den vorangegangenen Pleiten verbunden. Denkhaus ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht in Hamburg. Mit der GKK GmbH hat er einen besonders fetten Fisch an der Angel, bislang betreute er im Vergleich dazu eher kleinere Objekte. Man darf ihm viel Glück wünschen, was, wie es im Internet zu lesen ist, auch viele tun. Ob da auch Häme dabei ist, ist schwer zu beurteilen.

Der Tempelhofer Hafen blüht dank seiner Mall – aktuell feiert sie 15jähriges Bestehen. Das nahe Karstadt am T-Damm hat dagegen keine Chance mehr und wird geschlossen.

Der Insolvenzverwalter hat inzwischen einen Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Ge­samt­be­triebs­rat abgeschlossen. Die Kündigungen werden in Kürze an die von den Schließungen betroffenen Mitarbeiter herausgehen.

1. Interessensausgleich

Im Interessenausgleich ist die Schließung der drei oben erwähnten Kaufhäuser vereinbart.

2. Sozialplan/Transfergesellschaft

Gemäß Sozialplan haben von der Kündigung betroffene Mitarbeiter einen Anspruch auf die Zah­lung einer Abfindung, welche allerdings individuell 7.500,00 € brutto nicht überschreitet.

3. Wirksamkeit der Kündigung, Chancen einer gerichtlichen Anfechtung

Wie das Beispiel Air Berlin zeigt, ist die Kündigung in Massenverfahren wie der vorliegenden Art außerordentlich schwierig und auch fehlerbehaftet. Im Falle Air Berlin hatte das BAG nach Jah­ren gerichtlicher Auseinandersetzung festgestellt, dass die Kündigungen nicht wirksam sind.

Für den Arbeitgeber tun sich eine Vielzahl von Risiken auf, und zwar auch im Falle der Fi­lial­schlie­ßung, welche zum Wegfall aller Arbeitsplätze führt. Fehler unterlaufen insbesondere im Falle von Sonderkündigungsschutz wie

  • Erziehungsurlaub
  • Schwangerschaft
  • Mutterschutz
  • Elternzeit
  • Pflegezeit
  • Schwerbehinderung

Die Aufstellung ist nicht abschließend! Der Arbeitgeber/Insolvenzverwalter hat in diesen Fällen besondere gesetzliche Vorschriften zu be­ach­ten. Er muss auch folgende weitere Anforderungen berücksichtigen:

  • Beteiligung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung
  • Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung

An die notwendige Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit werden besonders strenge for­mel­le Voraussetzungen gestellt.

Haftung des Verwalters

Der Insolvenzverwalter kann im Falle der Unwirksamkeit der Kündigung für die daraus fol­gen­den An­sprü­che, insbesondere aufgelaufene Lohnansprüche, haften.

Die Entscheidung über eine gerichtliche Anfechtung der Kündigung hängt von der persönlichen Si­tua­ti­on des Mitarbeiters ab und sollte sorgfältig geprüft werden. Ich bin gern bereit, insoweit be­ra­tend tätig zu werden.

4. Transfergesellschaft

Die Transfergesellschaft ist beschränkt auf die Dauer von acht Monaten, sie kann verlängert wer­den, sollten noch Gelder vorhanden sein. Davon ist vorliegend auszugehen, weil die für die Trans­fer­ge­sell­schaft zur Verfügung gestellten Mittel in den zurückliegenden Insolvenzfällen nicht ausgeschöpft wurden.

Wichtig ist, dass das anschließende Arbeitslosengeld sich nach dem letzten regelmäßigen Ein­kom­men und nicht nach dem bezogenen Transfergeld bemißt. Einbußen bezüglich des ALG ent­ste­hen somit nicht.

5. Für wen ist die Transfergesellschaft empfehlenswert?

a) Für ältere Mitarbeiter, welche kurz vor Rentenbezug stehen und aus dem Erwerbsleben aus­schei­den möchten. An die Transfergesellschaft schließt sich sodann ein zweijähriger Bezug von ALG an.

b) Für  Mitarbeiter, welche die Kündigung als Möglichkeit sehen, sich zu qualifizieren und die Chan­cen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

Mit der Durchführung der Transfergesellschaft ist die Randstad RiseSmart Transfergesellschaft mbH beauftragt, eine erfahrene Gesellschaft, welche insbesondere für die Vermittlung in eine neue berufliche Tätigkeit qualifiziert ist.

Grundsätzlich sind alle Qualifizierungen möglich, für Karstadtverkäufer gilt dies insbesondere in den folgenden Bereichen:

  • Fremdsprachen, insbesondere Englisch
  • Deutsch als Fremdsprache
  • Computerkenntnisse
  • SAP Kurse
  • Logistik – Einzeldisziplinen
  • Umschulungen in Pflegebereich und andere soziale Berufe.

Soweit notwendig, unterstützt Randstad die Mitarbeiter bei der Beantragung von Qua­li­fi­zie­run­gen und Umschulungen gegenüber der Agentur für Arbeit.

Für Mitarbeiter in der Verwaltung kommen insbesondere folgende Qualifizierungen in Frage:

  • Grafikdesign
  • Marketing

Es sollte in jedem Fall auf die Erfahrung der Transfergesellschaft zu­rück­ge­grif­fen wer­den, zumal die Beratung durch die Agentur für Arbeit in vielen Fällen nicht be­frie­di­gend ist.

Wichtig sind auch die weiteren Vorteile für betroffene Mitarbeiter:

  • Bewerbungs- und Orientierungsseminar
  • Bewerbung aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus
  • Vorbereitung auf Bewerbungsgespräche
  • Aufrechterhaltung des bisherigen Netzwerks mit den Arbeitskollegen
  • Auffangen von Unsicherheit, Verzweiflung und Mutlosigkeit durch Kollegen und die Mitarbeiter der Transfergesellschaft
  • Vernetzung der Transfergesellschaft mit Unternehmen aller Branchen
  • kostenlose Erprobung in einer neuen Tätigkeit
  • wenn ein neuer Job gefunden ist, kann ein Ruhen des Transfervertrags vereinbart werden zum Zwecke der Absicherung, falls der neue Job wieder verloren geht. In diesem Fall wird das Transferarbeitsverhältnis fortgesetzt.

Ich bin gern bereit, Ihnen beratend zur Seite zu stehen. Häufig übernehmen Rechtsschutzversicherungen eine Erstberatung. Für diese würde ich eine Pauschale in Höhe von 100,-€ veranschlagen.

Mehr aktuelle Infos zur Transfergesellschaft finden Sie hier.

6. Ich habe neue Arbeit und möchte vor dem 31.08.2024 bei Karstadt ausscheiden.

    Erhalte ich in diesem Fall eine Abfindung?

Es wird keine Probleme geben, wenn schließungsbetroffene Arbeitnehmer vorfristig ausscheiden möch­ten. Dies kann insbesondere in Form einer Aufhebungsvereinbarung erreicht werden, zu wel­cher der Arbeitgeber in aller Regel bereit sein wird.

Der Sozialplan sieht vor, dass schließungsbetroffene Mitarbeiter in den Genuß einer Abfindung auch dann kommen, wenn sie, z.B. im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung – vorfristig aus dem Arbeitsverhältnis – ausscheiden.

Dies sollte in jedem Einzelfall sorgfältig geprüft werden!

7. Wechsel in eine andere Karstadt-Filiale

Schließungsbetroffene Arbeitnehmer können sich bei anderen Filialen für eine Wei­ter­be­schäf­ti­gung bewerben. Es gibt in den anderen Filialen regelmäßig Personalbedarf aufgrund der na­tür­li­chen Personalfluktuation. Die Filialen greifen gern auf erfahrene Karstadt-Mitarbeiter zurück, da die­se nicht eingearbeitet werden müssen. Diesen Mitarbeitern empfehle ich, dass sie sich bei der Per­so­nal­lei­tung der jeweiligen Filialen bewerben und dem Betriebsrat eine Ablehnung der Be­wer­bung zukommen lassen, damit der Betriebsrat die Möglichkeit hat, die Bewerbung zu un­ter­stüt­zen.

Einarbeitung entfällt!

Der Sozialplan enthält darüber hinaus eine Regelung, dass ausgeschiedene Mitarbeiter im Rah­men zukünftiger Bewerbungsverfahren innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren bei mindestens glei­cher Qualifikation und bei entsprechender Eignung im Vergleich zu externen Bewerbern be­vor­zugt einzustellen sind.

8. Bewerbung bei externen Arbeitgebern

Die zurückliegenden Insolvenzen haben gezeigt, dass öffentlich-rechtliche Arbeitgeber/Behörden sehr interessiert an der Einstellung von Karstadt-Mitarbeitern sind, dies gilt insbesondere für Mit­ar­bei­ter aus dem Verwaltungsbereich, dies gilt auch für Mitarbeiter, welche PC-Erfahrung haben. In­so­weit würde sich insbesondere eine Schulung im Rahmen der Transfergesellschaft anbieten, um PC Kenntnisse zu erlernen bzw. auszubauen.

9. Empfehlung an alle Karstadtmitarbeiter

Die Abwicklung konnte abgewendet werden, es gibt noch einmal eine Chance für die Wa­ren­hauskette, wie der GBR-Vorsitzende Jürgen Ettl erklärt hat.

Was bringt die Zukunft?

Bleibt zu hoffen, dass weitere Insolvenzen nicht erfolgen werden. Es wird jedoch auch in der Zu­kunft Veränderungen und Umstrukturierungen geben. Vor diesem Hintergrund empfehle ich al­len Mitarbeitern von Karstadt, dass Sie die Möglichkeit von Rechtshilfe in Anspruch nehmen kön­nen, sei es durch

  • Mitgliedschaft in der Gewerkschaft Verdi
  • Abschluss einer Rechtsschutzversicherung.

Dies wird Ihnen helfen, bei künftigen Problemen die richtigen Entscheidungen zu treffen.


Rechtsanwalt Georg Wenning

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

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