Weiterbeschäftigung trotz Mobbing

Eine Weiterbeschäftigung trotz Mobbing ist möglich! Mobbing am Arbeitsplatz muss nicht immer bedeuten, dass Sie nach einem langjährigen Berufsleben bei einem Unternehmen die Segel streichen. Weiterbeschäftigung unter geänderten Bedingungen ist möglich. Wenn Sie eine Weiterbeschäftigung und keine Beendigung wünschen, kann diesem Wunsch vor allem bei größeren Unternehmen mit vielen Betrieben oder Filialen nachgekommen werden. Es ist dann eine Option, wenn Sie eine lange Betriebszugehörigkeit aufweisen, eine gute Vergütung erhalten und eine betriebliche Altersversorgung gewährt wird. Diese Vorteile würden Sie ja aufgeben, wenn Sie kündigen.

In solchen Betrieben gibt es in der Regel

  • Betriebsvereinbarungen, betreffend Mobbing
  • Compliance-Regeln
  • einen Betriebsarzt, Betriebspsychologen
  • Betriebsrat
  • Schwerbehindertenvertretung,
    deren Unterstützung und Hilfe in Anspruch genommen werden kann.

Betriebsvereinbarung

Die Betriebsvereinbarungen enthalten detaillierte Schritte bei Mobbinggeschehen.
Wenn das Mobbinggeschehen ohne weiteres nachgewiesen werden kann, z.B. durch E-Mail-Verkehr und andere schriftliche Unterlagen, ist ein Vorgehen auf der Basis der Betriebsvereinbarung erwägenswert.
In der Regel liegen derartige, objektive Beweismittel nicht vor.
In diesen Fällen halte ich das in Betriebsvereinbarungen vorgesehene Verfahren, betreffend Mobbing, nicht für geboten. Die Verfahren sind langwierig, die Gegner erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen. Es ist kaum vorstellbar, dass sie die Vorwürfe einräumen, vielmehr werden sie diese regelmäßig bestreiten und Gegenvorwürfe erheben, z. B. mangelnde Kritikfähigkeit, Schlechtleistung, mangelnder Einsatz.
Es werden Zeugen gehört. Am Ende bleibt Ernüchterung und Enttäuschung.
Diese Verfahren führen meist zu einer Verhärtung und Verschärfung der Situation und nicht zu einer Lösung. Arbeitsrechtliche Sanktionen gegen die Täter bleiben aus.

Compliance-Regeln

Größere Unternehmen haben in der Regel Complience-Regeln geschaffen, welche ein rechtskonformes Verhalten des Managements sicherstellen sollen.
Insbesondere enthalten sie Regelungen zum Persönlichkeitsschutz. Sie sind eine Ausprägung des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, insbesondere des Schutzes vor Diskriminierung, sexueller Belästigung und Mobbing.
Sie enthalten die Einrichtung einer Beschwerdestelle für Arbeitnehmer und die Mittel zur Umsetzung der Maßnahmen.
Es ist durchaus sinnvoll, sich auch auf die Compliance-Regeln, betreffend den Persönlichkeitsschutz, zu berufen.
Complienceregeln und Betriebsvereinbarungen sehen häufig die Durchführung einer Supervision oder Mediation vor.

Dies setzt voraus, dass die beteiligten Parteien zustimmen. Beide Wege führen nur selten zu einer nachhaltigen Veränderung und Streitbeilegung.
Auch hier gilt das oben Gesagte. Die Beschuldigten sind nicht einsichtig, sie reagieren mit Gegenvorwürfen. Ich kenne leider wenig Fälle, in welchen eine Supervision oder Mediation erfolgreich verlaufen ist.

Einschaltung des Betriebsarztes /-psychologen

Soweit ein Betriebsarzt/Betriebspsychologe vorhanden ist, empfiehlt sich deren Einschaltung. Die Belastungen am Arbeitsplatz haben bereits zu einer Gesundheitsschädigung geführt.
Der Hausarzt sollte über die Belastungen im Betrieb informiert werden und eine entsprechende Bescheinigung ausstellen, wonach die Situation am Arbeitsplatz zu einer erheblichen psychischen Belastung und Gefährdung der Gesundheit führt.
Die Einschaltung des Betriebsarztes oder Psychologen setzt nicht voraus, dass das Mobbinggeschehen im einzelnen nachgewiesen wird.
Ausreichend ist die Darlegung, dass die Situation am Arbeitsplatz zu einer psychischen und gesundheitlichen Belastung führt.
Der Betriebsarzt/Psychologe wird eine Empfehlung zur Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz bzw. in einen anderen Betrieb/Filiale empfehlen, er sollte jedoch vermeiden, dass eine weitere Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht möglich ist. Vielmehr sollte er lediglich eine Empfehlung aussprechen.
Insoweit sollten der Betriebsrat und – im Falle der Schwerbehinderung – die Schwerbehindertenvertretung einbezogen werden.
Das Verfahren ist nicht so langwierig und belastend, wie die oben beschriebene Vorgehensweise auf der Basis einer Betriebsvereinbarung zum Mobbinggeschehen.
Es ist nicht Voraussetzung, dass die Täter gehört werden und die Vorwürfe bestätigen. Ausreichend ist die glaubhafte Schilderung, dass die Situation am Arbeitsplatz zu einer Gefährdung des Gesundheitszustands führt.

Schwerbehinderung / Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung

Im Falle der Schwerbehinderung oder Gleichstellung ist die Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung in der Regel empfehlenswert.
Die Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung ist in der Regel empfehlenswert, da diese engagiert ist und ein sehr guter Ansprechpartner für Mobbinggeschädigte ist. Die Schwerbehindertenvertretung arbeitet in der Regel auch mit dem Betriebsrat zusammen und sucht aktiv nach einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM)

gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX

Sie sind innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber ist darum verpflichtet, im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Möglichkeiten zu prüfen, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden bzw. wie einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.
Im Falle der Schwerbehinderung ist die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen, ferner sind das Integrationsamt und der Integrationsfachdienst hinzuzuziehen. Soweit erforderlich, ist auch der Betriebsarzt hinzuzuziehen. Ferner ist der Betriebsrat zu beteiligen.
Wichtig ist – bei Schwerbehinderung – die Beteiligung des Integrationsamtes und des Integrationsfachdienstes. Der Arbeitgeber wird den Empfehlungen/Weisungen der Behörde folgen und mit den häufig anzutreffenden Einwänden, dass ein anderer Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe, nicht durchkommen. Allerdings nimmt der Arbeitgeber das BEM manchmal zum Vorwand, eine Kündigung auszusprechen, da der Arbeitnehmer auf dem bisherigen Arbeitsplatz nicht weiterbeschäftigt werden könne und auch ein anderweitiger Einsatz nicht möglich sei.

Bei dem Verfahren sollte daher möglichst auch ein Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden, um zu vermeiden, dass der Arbeitnehmer über den Tisch gezogen wird. Als Rechtsanwalt schalte ich vor Durchführung des BEM-Verfahrens den Betriebsrat ein, um zu prüfen, wo und unter welchen Voraussetzungen eine Versetzung in eine andere Abteilung/anderen Betrieb auf frei oder frei werdenden Stellen möglich ist. Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn vom Betriebsrat/einem Betriebsratsmitglied Unterstützung erwartet werden kann. Das BEM-Verfahren bietet den Vorteil, dass es lösungsorientiert ist und nicht konfrontativ durchgeführt wird. Ziel ist die gemeinsame Suche nach einer anderweitigen Beschäftigung. Soweit diese nur nach Durchführung einer Qualifikation aufgenommen werden kann, ist es Sache des Integrationsamts, die hierfür erforderlichen Mittel bereitzustellen. Im übrigen wird der Rechtsanwalt darauf achten, dass eine solche Möglichkeit wahrgenommen wird.

Meine Herangehensweise

In der Regel schreibe ich in diesen Fällen den Arbeitgeber/Personalleiter in einem freundlichen E-Mail-Schreiben an, weise auf Probleme im Arbeitsverhältnis hin und schlage eine Besprechung in den Räumen des Arbeitsgebers vor, um gemeinsam eine Lösung der aufgetretenen Probleme zu erörtern, wobei ich klarstelle, dass eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewünscht wird.
Die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz bereitet Schwierigkeiten in Unternehmen, die sich in einer „Restrukturierung“ befinden und Arbeitsplätze in allen Bereichen abbauen.
Dennoch ist der Arbeitgeber verpflichtet, Arbeitsplätze frei zu machen, wenn dies im Rahmen des Direktionsrechts möglich ist. In diesen Situationen ist insbesondere das Integrationsamt unerbittlich, wenn der Arbeitgeber nicht mitziehen will. Sofern eine Versetzung nur mit einer Änderung/Anpassung des Arbeitsvertrags auf Seiten des Arbeitnehmers möglich ist, sollte dieser vorsorglich eine entsprechende Zustimmung erklären. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu gravierenden Nachteilen führen würde.

Coaching

Auch im Falle einer gelingenden Versetzung bleibt die Frage, wie einem erneuten Mobbing am neuen Arbeitsplatz begegnet werden kann.
Der betrieblich Buschfunk wird möglicherweise auch das neue Arbeitsumfeld erreichen.
Mobbing geht häufig einher mit Diskriminierung aus Gründen der Herkunft, des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung oder auch der sexuellen Identität. Hier besteht auch am neuen Arbeitsplatz eine besondere Gefährdung, so dass die Wahrnehmung von Coaching als präventive Maßnahme zur Unterstützung und Stärkung des betroffenen Arbeitnehmers außerordentlich wichtig ist. Bezüglich der weiteren Möglichkeiten im Falle der Diskriminierung lesen Sie bitte meinen dazugehörigen Beitrag.

Fazit

Ein Verbleib im Unternehmen ist eine ernsthaft zu prüfende Option. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Beendigung zu gravierenden Nachteilen führt, insbesondere bezüglich

  • betriebliche Altersversorgung
  • gesicherte Arbeit aufgrund langer Beschäftigung
  • gute Vergütung.

Allerdings ist auch insoweit dringend die Begleitung/Vertretung durch einen erfahrenen Arbeitsrechtler zu empfehlen.


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